Martin und Kate haben irgendwelche Anfangs nicht näher definierten Eheprobleme und ziehen sich daher auf eine unbewohnte Insel (natürlich ohne Mobilfunkmast) zurück, um sich eine Auszeit zu nehmen. Läuft allerdings nicht besonders gut, die Laune ist schlecht, man spricht nicht miteinander, ist deprimiert (und der Zuschauer wird es auch). Da bricht vor ihrem Haus (endlich was los!) ein blutverschmierter Fremder zusammen. Sie holen ihn ins Haus und als er aufwacht, gibt er sich als Soldat Jack (Jamie Bell) zu erkennen. Seine unglaubliche Geschichte: Ein Virus ist weltweit ausgebrochen und hat die Menschheit ausgerottet. Sie sind auf der Insel die letzten Gesunden und müssen daher sofort alle Türe und Fenster abriegeln und zunageln, um die Krankheit von sich fern zu halten.
Würden Sie das glauben?
Natürlich glauben auch Kate und Martin es nicht. Aber Jack ist nun mal Soldat, kein Weichei wie Martin, und außerdem bewaffnet…
Wer sich vom Biohazard-Zeichen des Titelbilds angezogen den Film als Zombie- oder Biohorror-Streifen ausleiht, der wird enttäuscht sein: Null Zombies. (Oder doch?)
Ist auch besser so. Statt dessen liefert Regiedebütant Carl Tibbetts ein grundsolides Kammerspiel, das im Wesentlichen mit drei Figuren auskommt und ihre psychologischen Beziehungen sauber seziert. Die große Frage ist dabei: Stimmt die Geschichte, ist deswegen der Funk ausgefallen? Ist Jack wirklich nur an ihrem Wohlergehen interessiert und greift aus Pflichterfüllung etwas härter durch, eben nur, weil er Soldat ist? Oder befinden sich Kate und Martin in der Gewalt eines halluzinierenden Irren? Wird er zum Alphatier der Gruppe – und konkurriert er als solches mit Martin oder vielmehr längst mit Kate?
Die Wahrheit bleibt bis kurz vor Schluss offen und bringt genug Spannung mit, um diesen sauber und geradlinig inszenierten, ziemlich stillen und langsamen Streifen durchaus sehenswert zu machen. Der Soundtrack ist überdies famos.
Leider sind die Figuren Martin (Cillian Murphy) und Kate (Thandie Newton) ebenso unsympathisch wie die Schauspieler, die sie verkörpern, so dass man diesen Film schon bald nicht mehr sehen möchte. Nur Jamie Bell (Jack) macht seine Sache perfekt. Mit anderen Darstellern und etwas geänderten, nicht ganz so trostlos und dämlich geschriebenen Figuren wäre dieser sehr erwachsene, klischeearme Thriller trotz des extrem bitteren Triple-Twists sicher vier Punkte wert.
Fazit: Retreat ist eine im Prinzip spannende und interessante Mischung aus Psycho-Thriller und Seuchen-Horror, die auch auf einer Theaterbühne spielen könnte. Umso wichtiger sind da die Darsteller, und hier ist der Haken: Das nervtötende Paar kann den Film in meinen Augen leider so überhaupt nicht tragen, sowohl als Darsteller, als auch als Figuren. Man wünscht dem eigentlich guten Stoff daher ein etwas weniger europäisch-deprimierendes, schön glattgebügeltes US-Remake.
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Doch bevor Sam sich auf die Heimreise begeben kann, baut er einen Unfall und verliert das Bewusstsein. Man kann sich seine Überraschung vorstellen, als er auf der Krankenstation aufwacht und sich seinem Retter gegenübersieht: Nämlich sich selbst – bloß in einer deutlich jüngeren Version, frisch gewaschen und kerngesund. Was geht da vor sich?
Die Prämisse ist cool, die Atmosphäre in den Kulissen stimmt auch. “Moon” wurde entsprechend gefeiert und für ganz besonders intelligent gehalten. Ich bin da nicht ganz so enthusiastisch, denn leider hat das in meinen Augen etwas einfältige Drehbuch von “Moon” nicht genug Substanz, um einen gesunden Spannungsbogen über die Laufzeit hinweg zu halten.
Dennoch ist Moon sehenswert. Nicht nur, weil es eben kein Monster-Schrott ist. Sondern weil die “Außenaufnahmen” und die Sets einfach atemberaubend gut aussehen. Regisseur Duncan Jones hat eine richtige Augenweide inszeniert, die Lust macht, sofort eine Schicht auf dem Mond einzulegen…
Und so bekommt man mit einer Kanne Kaffee auf dem Beistelltisch ein gemütliches SF-Kammerspiel zu sehen, das Genre-Fans mit vielen Anspielungen auf “2001″ und andere Klassiker erfreut. Empfehlenswert ist übrigens die Original-Tonspur, weil Kevin Spacey den Roboter GERTY spricht und dabei hörbar einen Gegenentwurf zu HAL im Sinne hatte.
Fazit: Visuell äußerst beeindruckende, inhaltlich allerdings etwas langatmig geratene SF-Perle, die man sich durchaus ansehen kann.
Zu haben auf DVD und Blu-ray . Letztere ist besonders empfehlenswert, denn die Aufnahmen des Mondes sind einfach grandios geraten. Interessant auch das Duncan-Jones-Doppelfeature mit “ Moon ” und “ Source Code ” in einer Box.
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Besonders Elsa gehen die vorsichtigen Alltagsforschungen nicht weit genug. Vom wissenschaftlichen Ehrgeiz getrieben führt sie private Experimente durch, in deren Verlauf sie ihre eigenen Gene mit anderen kreuzt und so ein Mensch-Mischwesen erschafft und schließlich sogar aufwachsen lässt – was durch den zu akzeptierenden Drehbuchtrick möglich wird, dass das gesplice weibliche Wesen mit dem Namen „Dren“ deutlich schneller altert als ein Mensch und daher in wenigen Wochen ihren kompletten Lebenszyklus durchläuft … mit all seinen Problemen.
Diese wunderbare Frankenstein-Variation ist durch und durch pervers – weil sie all die Fragen durcharbeitet, die eigentlich längst in unserer Gesellschaft gestellt werden müssten. Was passiert eigentlich, wenn wir Menschen – oder andere Wesen, von mir aus auch KIs – klonen und anderweitig künstlich herstellen? Ab wann haben sie ein Lebensrecht? Wer ist ihre Familie, trägt Verantwortung für sie? Können wir, nachdem wir sie eines Tages geschaffen haben werden (und das wird ja kommen), ihnen einfach so den Stecker ziehen, sie in der Laborbadewanne ersäufen wie einen Wurf überflüssiger kleiner Kätzchen? Tun wir das eventuell erst, sobald sie einen eigenen Willen entwickeln, Wünsche haben, die unseren nicht mehr entsprechen – so, wie das bei allen Kindern völlig normal ist? Was ist, wenn wir uns in ein solches Wesen verlieben – Clive Nicoli hat sogar Sex mit „Dren“, eine schaurig inzestuöse Szene.
Der Horror, das ist in diesem Film nicht das „Monster“ Dren – obwohl dieser Aspekt nicht zu kurz kommt und „Splice“ auch schlichtere Bedürfnisse befriedigt (und ein verwunderlich konventionelles Ende bietet). Der Horror ist das Szenario genetischer gesplicter Patchwork-Familien, für die keine moralischen Verhaltensvorlagen existieren, auf denen ein Mensch ethisches Handeln begründen könnte. Die einzigen Monster sind das Wissenschaftler-Pärchen, das erst den Schöpfer spielt, aber dann nicht mit der Schöpfung umzugehen weiß. Großartig, wie der Film die Genese einer traditionellen „Familie“ mit all ihren Problemen nachexerziert – in der Analoge des Splice-Wesens. Besonders umwerfend zum Beispiel die Szene der „Geburt“ aus der künstlichen Gebärmutter – da muss man ganz genau hinsehen, das ist subversiver als Cronenberg. Einfach toll, ganz großes Kino. Und auch noch schön anzuschauen, denn „Dren“ wurde höchst liebevoll in Mischtechnik (Schauspielerin plus CGI) animiert und entwickelt einen ganz eigenen Zauber (oder Horror, je nach Situation).
Das – man muss es sagen: – Genie hinter diesem Film ist Vincenzo Natali , der schon mit Knallern wie „Cube“ (top), „Cypher“ (okay) und „Nothing“ (top) (aber letzlich alle sehenswert) gezeigt hat, dass er aus Wenig (bei „Nothing“ im wahrsten Sinne aus Nichts ) einen guten Film ersinnen, schreiben und dann auch noch drehen kann. Er zeigt uns zugleich, dass die Science-Fiction noch lange nicht ihre Themen verloren hat – wenn die Autoren es nur wagen, die richtigen Fragen zu stellen. Hut ab! Bravo!
Fazit: Ein absolutes Muss für alle, die nicht bloß Laser-Ballereien erwarten. „Splice“ ist schlicht und einfach der beste Near-Future-Science-Fiction-Film des vergangen Jahrzehnts. Gerne hätte man ihn im Kino gesehen, doch einem Filmverleih scheint es heute nicht mehr möglich zu sein, einen intelligenten und visuell trotzdem beeindruckenden Science-Fiction-Film für Erwachsende länger als „eine Woche in der 23-Uhr-Vorstellung“ ins Kino zu bringen. Daher kann jedem nur geraten werden, ihn sich auszuleihen oder zu kaufen und im Heimkino anzusehen – ich verspreche, dass es sich lohnt.
Die Trailer lassen “Splice” teils so aussehen, als wäre es ein klassisches Creature-Feature – ist es aber mit Ausnahme des Endes nicht.
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Die Story: Wer sein Haus nicht mehr abbezahlen kann, dem wird es weggepfändet. Wer die Raten für sein Auto nicht mehr abbezahlen kann, dem wird es weggenommen. Und wer die Ersatz-Organe im Jahr 2025 nicht mehr abbezahlen kann – nun, den besuchen eben die “Repo Men”, eine Inkasso-Spezialeinheit, die vor Ort ihr Skalpell aufklappt, dem Schuldner künstliche Leber, Nieren oder Herz entnimmt und so die Verluste der Firma “The Union” klein hält, die in Zukunft offensichtlich Marktführer in Sachen Organ-Prothetik ist.
Natürlich ist Repo Men kein Job für Jeden: Die Frau von Remy (Jude Law) möchte unbedingt, dass er sich eine neue Stelle im Verkauf sucht, und selbst der Sohn möchte, dass der Vater ihn bitte mit etwas Abstand vor der Schule absetzt, damit keiner sieht, was er für einen Job hat. Doch kaum entschließt sich Remy widerwillig, vom blutigen Inkasso zum friedlichen Sales zu wechseln, da geht ein scheinbar simpler Auftrag schief, und als er wieder aufwacht, hat er ein künstliches Herz von “The Union” im Leib. Ironie des Schicksals: Nun, mit seinem künstlichen Herz, scheint er erstmals ein echtes Herz erhalten zu haben: Seinen gnadenlosen Job als “Repo Man” bringt er jedenfalls nicht mehr zustande, sehr zum Leidwesen seines langjährigen Partners Jake (Forest Whitaker).
In der ersten Viertelstunde fragt man sich noch, wie sich Law und Whitaker in diesen zynischen und menschenverachtenden Metzger-Trash verirren konnte, doch wenn man das unrealistische und bösartige Setting erst mal geschluckt hat – zum Beispiel als Metapher auf unsere eigene alltägliche Bigotterie -, dann macht dieser Film nach kurzer Zeit sehr viel Spaß. Die ernsthafte Botschaft zwischen den Zeilen kann jeder sehen, der dazu gewillt ist, und erinnert in ihrem schonungslosen Zynismus zuweilen an die besten – missverstandenen – Filme von Paul Verhoeven. Und dennoch nimmt sich “Repo Men” an der Oberfläche keine einzige Sekunde allzu ernst und zelebriert seinen Spaß an der Near-Future-Science-Fiction samt Gadgets und Spezialeffekten, bietet auf diese Weise Action und Spannung und splattert in der Unrated-Fassung am Ende sogar auf recht heitere Art herum – was aber, wie man ganz am Ende sieht, seinen Grund hat.
Ein Anschaffungs-Muß, denn das Fernsehen wird diesen Film wahrscheinlich wie üblich zur Unkenntlichkeit verstümmeln, und er bezieht seine Kraft durchaus auch der Konfrontation von Normalität und Grausamkeit in ein und derselben Szene. Beispielhaft dafür kann Remys letzter normaler Auftrag gelten: Er ist Fans des Musikers, der seine Organe nicht abbezahlen kann, und lässt diesen noch seinen letzten Song abmixen, ehe er ihn – einvernehmlich! – aufschneidet, wobei beide so tun, als wäre das so Normal wie eine Maniküre. So ist das eben im Organ-Kapitalismus, jeder ist seines Glückes Schmied.
Natürlich stimmt auch vieles in diesem Film nicht. Remy Ehe wirkt konstruiert, auch die neue Beziehung zu einer Sängerin voller Kunst-Organe im Zahlungsverzug ist unglaubwürdig. Technische Ungereimtheiten wie die Barcode-Scanner und Drehbuch-Klischees wie “der Killer sieht erstmals die andere Seite und beschließt, das ganze System zu stürzen” springen ins Auge. Aber: Geschenkt! Es ist Trash, nicht Godard. Und dass der Film selbst keinen Standpunkt einnimmt, empfinde ich als Plus.
Fazit: In den ersten 15 Minuten gewöhnungsbedürftiger, danach noch immer sehr ungewöhnlicher und insgesamt erstaunlich vielfältiger Science-Fiction-Grenzgänger zwischen Action und Moral, böser Satire und subversivem Trash. So was hat es bei der Kritik ja immer schwer, doch ich behaupte: Repo Men gilt in einigen Jahren als übersehene Perle.
Zu haben als
Deutscher Trailer nicht einbettbar, wahrscheinlich wegen Dummheit des Filmvertriebs (Raubkopierte Trailer!!!), zu finden hier . Hier die legendäre Monty-Python-Szene, die sicherlich Pate stand für den Film und in diesem am Rande auch in einem kleinen TV-Seher läuft:
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Mike und Monica haben soeben geheiratet und touren in ihren Flitterwochen durch die USA. Zur Befriedung ehelicher Bedürfnisse legen sie in einem extrem billigen Motel eine Rast ein: 7 Dollar 50 Cent für zwei Personen, Kaffee inklusive. Klingt gut, und der Sonnenuntergang ist auch ganz schön anzusehen – als Mike vor Monicas Augen von Männern eines Ambulance-Fahrzeugs gekidnappt wird.
Monica kann mit letzter Kraft fliehen – und landet im Truck des Lkw-Fahrers Bill. Der ist ein wenig enttäuscht, als die knapp bekleidete Blondine sich mitnichten als amouröse Zwischenmahlzeit entpuppt, sondern ganz im Gegenteil sehr viel Ärger mitbringt. Dennoch hilft er ihr, auf eigene Faust herauszubekommen, warum ihr Mann entführt wurde und von wem. Dabei kommen sie einem internationalen agierenden, kriminellen Organhandel auf die Spur …
Ja Wahnsinn, die Deutschen konnten ja mal richtig spannende Filme machen! “Fleisch für Doktor Jackson” – dieser Satz wird Ihnen nicht mehr aus dem Kopf gehen, nachdem Sie diesen Thriller gesehen haben. Über 30 Jahre ist der Streifen nun alt – und sieht man von einigen Längen ab, ist er heute noch so spannend und aktuell wie damals, als sich nach der Ausstrahlung (das ZDF finanzierte mit) die üblichen Proteste Luft machten. (Es soll ein (sehr schlechtes) Pro7-Remake gegeben haben, das ich nicht kenne, aber wollte man diesen Film neu drehen, man brauchte, behaupte ich, kaum etwas zu ändern.)
Fazit: Würdevoll gealteter Organhandel-Thriller, der seiner Zeit weit voraus war und vor allem wegen seiner Techno-Schnickschnack-freien Abenteuergrundlage und den sympathischen Darstellern immer noch das Ansehen wert ist.
Von der Qualität des Bildmaterials erwarte man sich wenig, das ist körniges 4:3. Wen das hier stört, der sieht aber ohnehin den falschen Film … Rainer Erler hat übrigens noch eine eigene (un-aktuelle) Website: www.rainer-erler.com
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Als die TV-Serie “Nummer 6″ mit einer kryptischen Doppelfolge endete, liefen beim britischen Sender die Telefondrähte heiß – aus Protest gegen das Ende der 17 Folgen langen, außergewöhnlichen Produktion mit Patrick McGoohan. Kann man sich 40 Jahre danach noch mit dem Fan-Fieber anstecken?
Kurz gesagt: Ja, man kann. Schon aus der Titelsequenz der britischen Serie “Nummer 6″ könnte man einen ganzen Kurzfilm machen: Ein Lotus Super Seven fegt über verlassene Straßen, dann durch London. Am Steuer sitzt ein Mann mit leuchtend blauen Augen. Entschlossen stampft er durch endlose Tunnel, unaufhaltsam, reißt Flügeltüren auf, erreicht ein Büro – offenbar das seines Vorgesetzten. Den brüllt er an, knallt ihm ein persönliches Schreiben auf den Tisch und eilt, nun sichtlich zufrieden, nach Hause.
Es ist seine Kündigung, und die wird sogleich durch eine bizarr-futuristische Maschinerie weitergeleitet, offenbar die Bürokratie des britischen Geheimdienstes. Der – oder jemand anderes – scheint den Abschied aber nicht zu akzeptieren: Kaum zu Hause angekommen, wird der namenlose Ex-Agent betäubt - und erwacht auf einer unbekannten Insel in einem surrealen Dorf. Es ist ein SF-Gefängnis: überall Kameras, Videokontrollen und fortgeschrittene Technik. Lautsprecher verkünden fröhliche Parolen und spielen brackige Kaufhausmusik. Wer eines der Propaganda-Radios zerschmettert, hat drei Minuten später den Elektriker im Haus, der es repariert. Wer zu fliehen versucht, wird von überlebensgroßen weißen Blobs unerbittlich zurückgeholt. Für diese Hintergrund-Story brauchten die Macher keine Zeile Dialog. Und dennoch ertappt man sich dabei, das Intro bei jeder Folge komplett anzustarren, als läge dort des Rätsels Lösung. Denn gerätselt wird in der Serie “Nummer 6″ massiv.
Number Six: Where am I?
Number Two: In The Village.
Number Six: What do you want?
Number Two: Information.
Informationen aber gibt´s nur spärlich. Das Inseldasein ist eine kafkaeske Idylle, der Stadtplan weist die umgebenden Hügel als “the mountains” und die Stadt als “your village” aus, und die einzige Zeitung des Ortes – “the tally ho” – druckt wenig Hilfreiches, gelegentlich auch mal eine Story, die erst noch passieren muß. Alle Insulaner haben Nummern, der Entführte die titelgebende “Nummer 6″. Scheinbarer Boß der Insel ist “Nummer 2″, und ihm brennt in Sachen Nummer 6 eine Frage ganz besonders auf den Lippen: “Warum haben Sie gekündigt?” Nummer 6 hat natürlich seinen eigenen Kopf, keine Lust zu antworten und investiert stattdessen seine ganze Energie in den Versuch, von der Insel zu fliehen. Pro Folge ein Fluchtversuch – 17 Folgen lang.
Number Six: Whose side are you on?
Number Two: That would be telling.
Hört sich langweilig an? Von wegen. Noch heute, 40 Jahre nach dem Serienstart im Jahre 1967, bleiben Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ab Folge 1 am Seher kleben, selbst wenn “Twin Peaks” oder “Lost” (ähnlich rätselhaft) und “The Avengers” (ähnlich britisch) nicht zu Ihren Lieblingen zählen. Und Hand drauf – Sie werden sich dabei die ganze Zeit über fragen: Wieso eigentlich gucke ich mir diesen Schmarrn an?
Number Two: We want information. Information. Information.
Number Six: You won´t get it.
Number Two: By hook or by crook, we will.
Vielleicht bleiben Sie dran wegen der bizarren Kulissen, die nichts von ihrem Charme verloren haben, auch wenn sie nicht mehr ganz so futuristisch wirken mögen wie noch seinerzeit: drahtlose Telefone, Videokonferenzen, Lavalampen-Screensaver und allerlei Gimmicks und Gadgets, wie sie aus Agenten- und SF-Stoffen nicht wegzudenken sind. Ganz sicher auch wegen der kompromißlosen Regie- und Kameraarbeit, die jede Szene zu einem spannenden Vergnügen macht. Und natürlich wegen der cleveren Drehbücher. Hier geht es um Philosophie, nicht um Autojagden: Die wahren Themen der Serie sind Individualismus, Identität und Willensfreiheit, Wissenschaft und Fortschritt sowie Recht und Demokratie (in “The Village” wird der Chef gewählt!). Obendrauf eine dicke Sahnehaube Paranoia: Wer steht auf welcher Seite? Gibt es überhaupt Seiten? Und wenn ja, gibt es eine richtige?
Wem kann man da trauen? In “The Village” möglicherweise niemanden: So mancher Freund und gleichgesinnter Widerstandskämpfer entpuppt sich am Ende als Werkzeug der Obrigkeit, um “Nummer 6″ zu täuschen und ihm sein Geheimnis zu entlocken. Und wer auch immer das Sagen hat, ist nicht zimperlich. Bis hin zur psychischen Folter bleibt nichts unversucht, das Rätsel der Kündigung zu knacken.
Beispielhaft dafür kann die Folge “The Schizoid Man” stehen: “Nummer 6″ wird über Nacht einer Gehirnwäsche unterzogen, sein Gesicht chirurgisch verändert und ein Doppelgänger als “Nummer 6″ eingeführt – der Held dagegen wird nunmehr als “Nummer 12″ angesprochen und ist entsprechend versessen darauf, zu beweisen, daß in Wirklichkeit er die Nummer 6 ist. Selten war die Paranoia größer, und so kämpft der Held nicht nur mit Fäusten, sondern auch mit Köpfchen und klugen Dialogen, oft herrlich zynisch-humorvoll.
Number Six: Who are you?
Number Two: The new Number 2.
Number Six: Who is Number 1?
Number Two: You are Number 6.
Number Six: I am not a number – I am a free man!
Übrigens flieht “Nummer 6″ nicht in jeder Folge direkt (jedes Mal auf eine originelle Art, doch letztlich stets vergebens), in den meisten Episoden zerstört er vielmehr seinen Widersacher, “Nummer 2″. An Nachschub mangelt es nicht: Es finden sich immer neue 2er, kluge und dumme, eitle und bescheidene, subtile und brachiale – doch wer ist die unbekannte “Nummer 1″, die Person, die die wirkliche Macht hat? Die Queen? Ein Super-Computer? Gott?
Number Two: I suppose you´re wondering why you´re here.
Number Six: The thought had crossed my mind.
Und überhaupt: Wer zur Hölle denkt sich sowas aus? Es war unter anderem Patrick McGoohan, der in der britischen TV-Serie “Danger Man” (´64 -´68) den Geheimagenten John Drake verkörperte. Schon in dieser Serie, so sagt man, quatschte McGoohan mehr hinein als bei Schauspielern üblich. Doch “Danger Man”, einer der besten Agentenserien überhaupt, hat das sichtlich ebenso wenig geschadet wie “Nummer 6″. Dessen Konzept legte McGoohan vor, nachdem er seinen Job als “Geheimagent John Drake” gekündigt hatte – ein Schelm, wer hier eine Koinzidenz sieht. Oder in Orson Welles´ “Der Prozeß”-Verfilmung nicht eine wichtige Inspirationsquelle erkennt.
Der gewiß recht eitle McGoohan (der angeblich Angebote für die Rollen “The Saint” und “James Bond” ausschlug) beherrscht die Serie auch als Darsteller: Stets perfekt in Szene gesetzt und dramatischst ausgeleuchtet, sind es er und sein Wille allein, die sich einem an Gegnern, Techniken und Mitteln haushoch überlegenen System entgegenstemmen. Einem System obendrein, das ebenso gut dem militärischen Gegner des kalten Krieges gehören könnte wie den eigenen, mißtrauischen Leuten – oder gar einer dritten, noch unbekannten Macht. In einem Mikrokosmos, der sich gummiartig jedem Erklärungsversuch entzieht, sich zudem von Folge zu Folge leicht ändert, in dem überhaupt nicht mehr real zu sein scheint. Kein Wunder, daß selbst die korrekte Reihenfolge der Episoden bei Fans hart umstritten ist.
Number 6: Has it ever occured to you that you are as much a prisoner as I am?
Number 2: My dear chap, of course! I know too much. We are both lifers. I am definately an optimist. That´s why it doesn´t matter who Number One is. It doesn´t matter which side runs the village.
Also: Die britische Serie “Nummer 6″ müssen Sie gesehen haben. Obwohl fast jede Episode damit endet, daß sich Gitterstäbe über sein Gesicht schieben: Moralisch, intellektuell, physisch – auf seine Weise gewinnt jedes Mal er, “The Prisoner”. Und das sind natürlich wir selbst, sofern wir nur unseren Hintern hochkriegen …
Number 6: I will not be pushed, filed, stamped, indexed, briefed, debriefed, or numbered! My life is my own.
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So beginnt der Film “The Box” von Richard Kelly. “Wie war er?”, wollte der Videothekar wissen. “Besser als Southland Tales, schlechter als Donnie Darko”, gab ich mit der DVD zurück. “Ach, der ist von dem?”, fragte er, als ich meine 1,50 Euro über die Ladentheke schob (die heute vielen Raubkopierern als zuviel für einen Film erscheinen, weshalb der Videothekar seinen Laden wohl nicht mehr lange haben wird). “Ja, von dem.” Denn wäre der Streifen nicht von Richard Kelly, würde er wohl irgendwo besprechungslos im Wühltisch enden, eine DVD-Kuriosität wie “Nuit Noir”.
Aber von vorne: Donnie Darko , Kellys erste Langfilm-Regiearbeit aus dem Jahr 2001, wurde zwar kein Kinohit, erspielte sich jedoch via Mundpropaganda eine breite Fanbasis. Es ist schwer zu sagen, worum es bei “Donny Darko” in Wirklichkeit geht. Man muß diesen merkwürdig anrührenden Zeitreise-Pubertäts-Paralleluniversum-Film einfach gesehen haben; wie er liebevoll auf verschlungenen Pfaden zahlreiche Details miteinander verknüpft und unser Gehirn in halluzinative Fallen tappen läßt, jagt einem immer wieder wohlige Schauer über den Rücken.
Nach diesem Film war klar: Richard Kelly ist der neue David Lynch for the Masses. Hier ist einer, für den werden wir sogar wieder ins Kino gehen, der wird uns noch ganz große Filme liefern! Hat er auch.
In Southland Tales (2006) wurde alles eine Nummer größer. Nämlich viel zu groß. Nach Terroranschlägen hat sich das postapokalyptische Amerika in einen Überwachungsstaat verwandelt, an dessen Spitze das Unternehmen USIDent steht. Weil das Öl knapp wird, muß ein neuer Treibstoff her – “Fluid Karma”, gewonnen aus einer neuentdeckten Quelle, die den Globus unterirdisch wie eine Schlange umwindet. Das Anzapfen ändert jedoch die Rotation unseres Planeten, öffnet ein Raumzeit-Loch und bringt prompt die üblichen Weltvernichtungsprobleme mit sich. Klingt soweit ganz plausibel, nur sehen Sie von alledem im Film nichts. Würde man das, was Sie stattdessen sehen, kurz notieren, hätte man eine unvollständige Drehbuchsammlung aus drei Dutzend Serien unterschiedlicher Genres vor sich liegen; darunter unentschlossene Komödien, böse Polit-Dokus und natürlich jede Menge Sci-Fi-Mystery-Zeugs plus News-Clips und Jesus-TV.
Man kommt in “Southland Tales”, der es hierzulande ebenfalls nicht in die Kinos schaffte, im besten Falle aus dem Staunen nicht heraus – im schlimmsten Falle gähnt man ob des unermüdlichen Ansturms immer neuer Bilder, Ideen, grotesker Einfälle und kryptischer Story-Möbiusschleifen. Es drängt sich der Verdacht auf, man starre entweder ein Meisterwerk an, das man nicht versteht (zum Beispiel weil man das Comic-Prequel nicht kennt), oder es handle sich einfach um eine mißlungene Klamotte.
Wer den Film auf DVD tatsächlich durchgehalten hat, dem war jedenfalls klar: Jetzt ist er völlig abgehoben, der Richard. Man kann “Southland Tales” wegen seiner wilden Ambition nicht wirklich schlecht finden, mag ihn irgendwie aber auch niemandem so recht empfehlen.
Nun also: The Box . Die Familie Lewis hat Probleme. Arthur Lewis, Optik-Experte bei der NASA-Mars-Mission Viking, ist beim Psychotest für die Astronauten durchgefallen. Seine Frau Norma Lewis erfährt zur gleichen Zeit, daß die Schulgebühren für den Sohn angehoben wurden. Da wird Papa wohl die Corvette verscherbeln müssen. Kurz: Man hat kleine Geldnöte (genaugenommen wirklich sehr kleine, verglichen etwa mit denen des Ehepaars Lutz aus “The Amityville Horror”).
Eines Morgens liegt plötzlich eine hölzerne Schatulle auf der Treppe. Tags darauf klingelt ein gut gekleideter Mann mit Gesichtsnarbe an der Tür, stellt sich als Arlington Stewart vor und übergibt Norma den Schlüssel zum Knopf auf der Box. Die Bedienungsanleitung: Wenn sie den Knopf drückt, stirbt irgendwo jemand, den sie nicht kennt – sie geht straffrei aus, und als Belohnung gibt es eine Million Dollar obendrauf, steuerfrei. Norma hat aber nur 24 Stunden Bedenkzeit, dann endet das Angebot. Und sie darf klarerweise mit niemandem darüber reden. Abgang Mr. Mysterious.
Was tun: Drücken oder nicht? Also wirklich, eine Gesellschaft, in der ein solches Drehbuch eine Chance hat, sollte dringend in den Spiegel schauen; denn die Antwort kann doch bitteschön auf jeden Fall nur “Nein” lauten. Norma drückt natürlich trotzdem – und schon bereuen es Beide. Sie wollen wissen, wer jener seltsame Mann ist, der ihnen wie versprochen den Koffer mit der Million vorbei bringt. Der Gentleman rät dringend davon ab, ihm nachzuschnüffeln – und bald zeigt sich, daß man besser auf ihn hören sollte. Ehedem normale Mitbürger reden plötzlich in kryptischen Sätzen, geben dem reumütigen Paar in der einen Minute seltsame Ratschläge, und brechen in der anderen blutend zusammen. Der Geheimdienst hat wohl auch seine Finger im Spiel; doch warum wird nichts gegen den von einem angeblichen Blitzschlag entstellten Mann unternommen, der offenbar an alle Ehepaare im NASA-Umfeld seine Knopf-Schachteln verteilt?
Fast neunzig Minuten lang entwickelt “The Box” einen unglaublichen Sog auf Donnie-Darko-Niveau und fesselt den Zuschauer mit einer ruhigen Steigerung rätselhafter Ereignisse. Bis in Minute 1:15 – leider – die große Erklärung folgt. Der Rest wirkt aber wohl nur deswegen so enttäuschend, weil der Teil zuvor so brillant ist. Was am Ende des Tages vom Film übrig bleibt, ist eine knapp zweistündige Episode zwischen Akte X und Fringe, die reichlich Verschwörung und Science-Fiction mit einem Hauch Moralphilosophie verquirlt.
Ein Cocktail, den man durchaus genießen kann, wenn man sich von Erwartungen freimacht. Denn daß Kelly hier die Story eines anderen verfilmen mußte (“Button Button”, von I-am-Legend- und Shrinking-Man-Autor Richard Matheson), gibt dem Ganzen etwas erholsam Mainstreamiges. Es geht letztlich ja gar nicht darum, ob der Knopf wirklich eine Funktion hat. Marssonden-Tüftler Arthur schraubt das Gerät auseinander: es ist leer. Man darf auch bezweifeln, ob es wirklich einen ursächlichen Zusammenhang gibt zwischen Knopf und Tod, wie die Erzählung ihn suggeriert. Es geht also nur um die Entscheidung an sich, und die wird in unseren Gesellschaften bereits täglich getroffen – und zwar immer in genau derselben Weise wie vom Lewis-Paar.
Fazit? Hoffnung ist etwas ganz Wunderbares, berechtigte Hoffnung noch viel mehr. Sehen Sie sich also am besten alle drei Filme an. Auch wenn sie im Einzelnen nicht perfekt sind, bieten sie intellektuellen Radau auf unterhaltsamem Niveau. Sie machen neugierig auf die nächste schwer verdauliche Kopfgeburt dieses eigenwilligen Richard Kelly – und auch Hoffnung auf eine Zukunft des Science-Fiction-Films, die ohne Lichtschwerter-schwingende Ritter auskommt.
Wer shoppen mag:
Donnie Darko: Trailer
Southland Tales: Trailer
The Box: Trailer